KROTTENSEE – Gestern Abend in Krottensee: Ein älterer Mann bricht in der Stube unvermittelt zusammen, Verdacht auf Herzinfarkt. Der alarmierte Notarzt kommt nicht. Er sucht am anderen Ortsende. Wertvolle Minuten verstreichen. Zugegeben: Dieses Szenario ist erfunden, könnte aber in manchen kleineren Orten bittere Realität werden.
Der Rettungsdienst des ASB Jura hat solche Erfahrungen schon gemacht. Wenn Häuser neu gebaut wurden, die weder im Leitstellenrechner hinterlegt noch in den eigenen Plänen eingetragen sind, könne es problematisch werden, erklärt ASB-Vorsitzender Roland Löb. "Vor gar nicht allzu langer Zeit sind wir bei einem Notfall lange umhergeirrt. Uns saß die Zeit im Nacken, und die Angehörigen sind verständlicher Weise total aufgelöst gewesen, weil es dauerte bis Hilfe kam."
FEUERWEHR NUTZT NAVI, KARTEN UND ALARMFAX
Auch die Floriansjünger wissen von Problemen. "Die Feuerwehr muss ja im Einsatzfall schnell reagieren, hin und wieder haben wir Probleme, den Einsatzort schnell zu finden", berichtet Auerbachs Kommandant Sven Zocher. Den Wehren helfen dabei spezielles Kartenmaterial, welches die Stadtverwaltung zur Verfügung stellt, und das Navigationsgerät im Fahrzeug. Auch hat die Wehr ein Alarm-Fax, das behilflich ist. "Trotzdem ist das ein Zeitverlust, der im Ernstfall Leben retten kann."
Denn oft ist es so, dass die Hausnummern nach der Entstehung durchnummiert sind. Das älteste Haus hat also die Hausnummer 1, das jüngste womöglich eine dreistellige Ziffer. In Krottensee gehört dieser "Nummernsalat" bald der Vergangenheit an. Auf Wunsch einiger Bürger hat die Marktgemeinde Neuhaus eine Umfrage aller Hauseigentümer durchgeführt. Das Ergebnis war eindeutig. Die Mehrheit will Straßennamen und damit einhergehend eine neue Hausnummer.
NAME "KROTTENSEE" BLEIBT IM STRASSENNAMEN ERHALTEN
Somit gibt es künftig im größten Neuhauser Ortsteil sechs neue Straßennamen. Durch den Ort führt die Krottenseer Hauptstraße. In Richtung Wallerweiher führt die Straße „Krottenseer Winkl“. Zum Grottenhof gelangt man künftig über die „Krottenseer Allee“. In Richtung Neuhauser Siedlung wird es den „Krottenseer Auenweg“ geben. In der Ortsmitte wird der „Krottenseer Ring“ neu geschaffen, die Einfahrt ist beim Feuerwehrhaus. In Richtung ehemalige Kläranlage führt künftig der „Krottenseer Hirtenweg“. Dass der Ortsname Krottensee in allen Straßennamen erhalten bleibt, ist das Egebnis einer Diskussion bei der Bürgerversammlung im Frühjahr.
Auf die Krottenseer Bürger kommen nur geringe Kosten zu. Sie müssen sich eine neue Hausnummer anschaffen. Auch sind sie dafür verantwortlich, ihre neue Adresse bekannt zu geben, etwa bei Versicherungen und Behörden. Für die Änderung der Kataster und Personalausweise kommt die Marktgemeinde auf. Frühestens im ersten Quartal 2017 erfolgt die Umschreibung.
NUR DIE STADT BETZENSTEIN SELBST HAT STRASSENNAMEN
Im Gemeindegebiet von Betzenstein gibt es nur in der Stadt selbst Straßennamen. Alle anderen Ortsteile sind lediglich nummeriert, ist aus dem Rathaus zu erfahren. Ursprünglich wurden bei der Erstnummerierung die vorhandenen Häuser der Reihe nach nummeriert, erklärt Brigitte Dörnhöfer. In den letzten Jahrzehnten werden die Hausnummern nach der Reihenfolge der Bebauung vergeben. "Falls absehbar ist, dass mehrere Grundstücke bebaut werden, wird von uns eine Nummerierung dieser Flurstücke vorgenommen", so die Angestellte.
KLEINE ORTSTEILE VON VELDEN HABEN NUR HAUSNUMMERN
Auch im Bereich der mittelfränkischen Stadt Velden gibt es nicht überall Straßennamen. "Nur Hausnummern haben die Ortsteile Gerhelm, Henneberg, Immendorf, Pfaffenhofen, Raitenberg und Viehhofen", berichtet Bürgermeister Herbert Seitz. Auch im Veldener Gemeindegebiet ist es üblich, die Hausnummern in der Reihenfolge der Bebauung zu vergeben. Seitz ist sich der damit verbundenen Probleme bewusst. Das reine Hausnummern-System führe insbesondere bei Paketdiensten immer wieder zu Nachfragen und Problemen, sagt der Rathauschef. Vom Rettungsdienst sind ihm noch keine Probleme gemeldet worden
GUTE ERFAHRUNGEN MIT STRASSENNAMEN IN KÜRMREUTH
Bürgermeister Hans Koch kann sich noch gut daran erinnern, wie in Kürmreuth Straßennamen eingeführt wurden. Die Marktgemeinde Königstein habe damit nur postitive Erfahrungen gemacht. Das System sei jetzt übersichtlich und für Jeden nachvollziehbar. Die Einführung lief ohne Probleme, allerdings brauchten die Bürger doch ein wenig, bis sie sich an ihre neue Postadresse gewöhnt hatten, so der Rathauschef.
Im Bereich von Königstein gibt es nur im Hauptort selbst und in Kürmreuth Straßennamen. Alle anderen Ortsteile - dies sind Breitenstein, Bischofsreuth, Döttenreuth, Fichtenhof, Funkenreuth, Gaissach, Hannesreuth, Loch, Lunkenreuth, Mitteldorf, Mönlas, Namsreuth, Pruihausen, Wildenhof und Windmühle - haben nur Hausnummern. Zum Großteil sind in den genannten Orten die Nummern nach der Bebauung vergeben. "Lediglich bei der Neuausweisung von Baugebieten wurden die Hausnummern nach den Bauplätzen von vornherein vergeben", erklärt Hans Koch.
Probleme machte das reine Nummernsystem vor allem in den größeren Orten wie Pruihausen. Hier hat die Gemeinde versucht, durch eine neue Beschilderung für Abhilfe zu sorgen. Aus den restlichen, etwas kleineren Ortsteilen, sind dem Rathauschef keine Probleme bekannt geworden.
RETTUNGSDIENST IST MIT MODERNER TECHNIK UNTERWEGS
"Wenn bei Paketdiensten das Navigationssystem die richtige Hausnummer nicht findet, kann der Fahrer nachfragen. Bei Feuerwehr oder Rettungsdienst gehen dadurch im Ernstfall wichtige Minuten verloren. Dank moderner Technik kann im Normalfall schnell Hilfe geleistet werden. "Die öffentlich-rechtlich ausgestatteten Einsatzfahrzeuge verfügen inzwischen fast alle über GPS und werden damit zur Einsatzstelle gelotst. Das funktioniert in den meisten Fällen", erklärt Roland Lob vom ASB Jura. In den vereinseigenen Fahrzeugen sei diese rund 2.000 Euro teure Ausstattung allerdings nicht eingebaut. "Da helfen Pläne von den Gemeinden oder selbst erstellte Übersichten mit Rastersystem in der Regel weiter."
Es sei immer schwierig, wenn es keine eindeutige Kennzeichnung der Häuser in den einzelnen Ortsteilen gibt, erklärt Feuerwehrkommandant Sven Zocher. Die Feuerwehr werde nicht nur zu Bränden alarmiert, bei denen der Feuerschein ersichtlich ist. Es gehören unter anderem auch eilige Türöffnungen und die Unterstützung des Rettungsdienstes zum Aufgabengebiet. Bei solchen Notfällen sehe man - im Gegensatz zu Bränden - nicht gleich, wo sich der Einsatzort befindet.
GUT SICHTBARE HAUSNUMMERN HELFEN IM NOTFALL
Auch die Bürger selbst können einiges dafür tun, dass ihr Haus im Ernstfall schnell gefunden wird. Wichtig sind laut Löb von der Straße aus gut einsehbar angebrachte Hausnummerntafeln. Ideal ist es, wenn diese beleuchtet sind oder reflektieren. Auch Einweiser auf der Straße - besonders bei Stichstraßen oder Abzweigungen - leisten wertvolle Hilfe. Bei Dunkelheit kann man zudem das Haus voll beleuchten. In engen Gassen sollte nach Möglichkeit eine Rettungsgasse gebildet und freihalten werden. Wenn die Nummerierung der Häuser zu durcheinander ist, wäre es sinnvoll, sich bei der Gemeinde und mit den Mitbürgern um eine strukturierte Hausnummerierung zu bemühen, empfiehlt der ASB-Vorsitzende.
Zocher spricht von einer Alarmierungskette: Ein Angehöriger bleibe bei dem Verletzen, ein Anderer könne sich zum Beispiel auf die Straße stellen und bemerkbar machen. Auch helfe bei Nachteinsätzen eine Taschenlampe. "Das Lichtzeichen sieht man sehr weit."
Brigitte Grüner
Redaktion